Sommeroper Selzach: Zum ersten Mal wird im Passionsspielhaus ein Musical aufgeführt
Die Sommeroper Selzach zeigt vom 5. bis zum 21. August das Musical «Der Mann von La Mancha». Das Bühnenbau-Team arbeitet schon fleissig im Passionsspielhaus.
Nachdem im Passionsspielhaus in Selzach erst Christis Leidensgeschichte und seit mehr als dreissig Jahren Opern aufgeführt wurden, kommt nun erstmals ein Musical auf die Bühne. Oskar Fluri und sein Team waren mit dem Rohbau für «Don Carlos» praktisch fertig, als Corona in die Quere kam und die Verdi-Oper vom Spielplan fegte.
Die Führungscrew nutzte die Zwangspause und wechselte mit «Der Mann von la Mancha» die Sparte. Das auf «Don Quixote de La Mancha» von Miguel de Cervantes basierende, 1965 uraufgeführte Musical von Mitch Leight und Dale Wasserman wird der von den Thunerseespielen bekannte Iwan Wassilevsky dirigieren und der international tätige Olivier Tambosi inszenieren.
Der weite Weg von Mozart zur Musicalbühne
Von den Gründern der Sommeroper Selzach (René Kunz, Hansjörg Hack, Oskar Fluri und Franz Aebi) ist einzig Oskar Fluri noch dabei. Seine Bühnenbilder und Ausstattungen prägten den Erfolg und wurden zum Markenzeichen. Nach den Spielopern suchte Fluri mit Wagner und Verdi eine neue Herausforderung und fand sie in «Don Carlos». Oskar Fluri:
«Es war schwierig, von einer dramatischen Oper auf das Musical-Genre umzuschwenken. Doch inhaltliche Gemeinsamkeiten erlaubten, bereits fertige Elemente zu übertragen und zu integrieren.»
Dies, weil beide Werke zur Zeit der Inquisition, während der Regierung von König Philipp II. spielen.
In «Der Mann von la Mancha» wird der Dichter Miguel de Cervantes von der spanischen Inquisition als Ketzer in ein Gefängnis verfrachtet, in dem ihm das Manuskript zu «Don Quixote» gestohlen wird. Um es zurückzuerhalten, inszeniert er mit den Gefangenen seinen Traum von einer besseren Welt.
«Das Musical erzählt mit Witz und Charme von der reinigenden Kraft des Theaters und der Vision einer geläuterten Welt.»
Die Mauern und Kerker seien ihm entgegen gekommen, da er die Don Carlos-Grundelemente beibehalten und umfunktionieren konnte. Dies, weil der «Mann von la Mancha» als frühes Musical noch nicht so auf Technik fixiert sei wie moderne Bühnenwerke. Keine glitzernde Broadway-Show, sondern ein philosophisches Stück, welches ins geschichtsträchtige Holzhaus passt.
Trotz aller Flexibilität, sei es schmerzhaft gewesen, das Don Carlos-Konzept und die Bilder im Kopf loszulassen, sich auf eine neue Geschichte einzulassen, fügt er an. Wie immer, bereitete sich Oskar Fluri minuziös vor, recherchierte die Historie und liess den Zeitgeist auf sich wirken. So viel sei verraten: die Spielfläche zieht sich bis zum Publikum hin, das Orchester nimmt nicht im (für einmal geschlossenen) Graben Platz, sondern im hinteren Teil der Bühne, wie es das Libretto vorschreibt.
Die Herausforderungen eines Bühnenbauers
Den Traum, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, könne auch er nicht verwirklichen. Aber er müsse fähig sein, die Bühne so umzugestalten, dass sie den Anforderungen des Musicals gerecht werde und die für Don Carlos getätigten Investitionen auffange. «Der eigentlich herausfordernde Prozess ist jedoch, dies mit dem Regiekonzept zu vereinen. Die Zusammenarbeit mit Zambosi war von Anfang an hervorragend.»
Im Vergleich der einstigen Bühnentechnik mit den jetzigen Möglichkeiten, scheint ein Quantensprung vollzogen. «Früher drehten wir jede Schraube mit dem Schraubenzieher einzeln ein, heute arbeiten wir mit Akkuschraubern», lacht er. Wurde 1989 noch improvisiert, wird schon lange bis ins Detail geplant und realisiert.
Die Sommeroper bestimmte die letzten 35 Jahre von Oskar Fluris Leben: hier lernte er seine grosse Liebe Pia Bürki kennen. Jahrelang ordnete das Paar die Sommerferien dem Projekt unter, nahm die Kinder zu den Vorbereitungen mit. «Nach der Premiere fing jeweils der Schulbetrieb wieder an. Davon bin ich heute befreit. Im Moment widmet sich der Mann der ersten Sommeroper-Stunde ganz dem «Mann von la Mancha». Es wird ihm erneut gelingen, der Produktion seinen Stempel aufzudrücken.
Oskar Fluris treues Kreativ-Team
Für Kurt Siegenthaler bedeutet der «Mann von la Mancha» die zweite Produktion, bei der er mit an Bord ist. Seit dem «Fliegenden Holländer» begeistert ihn der Kulissenbau. Franz Arnold ist eine Spielzeit länger mit dabei. Den Ingenieur fasziniert das Tüfteln und die ganze Szenerie: «Ich habe immer davon geträumt, nach der Pensionierung einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen. Also rief ich Oskar Fluri an und der meinte lapidar: kannst Du morgen kommen?», lacht er.
Reto Hartmann, der künstlerische Allrounder, der Gedichte schreibt und als Maler (Tusche-Illustrationen) seine Werke in Ausstellungen präsentiert, kam über das Musical in der Kiesgrube Deitingen zur Sommeroper. «Ich wollte nicht im Atelier vereinsamen und schätze die Teamarbeit im Passionsspielhaus. Vor allem die Zusammenarbeit mit Oskar Fluri, der uns inspiriert. Trotz Vorgaben können wir uns individuell einbringen. Das macht Freude.»
Für den Metallbauschlosser Ueli Baumgrtner ist das Prozedere von seiner 12-jährigen Mitarbeit her vertraut. Er kennt «Oski» schon lange, auch von anderen Projekten her. «Ich habe immer mit Holz gearbeitet. Der Versuch, das «Puppenhaus-Modell» detailgetreu auf die Bühne zu bringen, ist ein intensiver Akt. Hier gibt jeder alles», fügt er hinzu.
Früher behandelte Anton Meyer in seiner Praxis Hautkrankheiten. Seit 13 Jahren dominieren die handwerklichen Fähigkeiten und die Liebe zur Musik den Sommer des pensionierten Dermatologen. Und als «Bühnen-Notfallmediziner» ist er erst noch gleich vor Ort. Das ganze Team schätzt Oskar Fluris Ideen und Kameradschaft, ist zu einem Kreativteam zusammengewachsen.
© 2022 solothurnzeitung.ch, 11.06.2022, von Silvia Rietz. Fotos by Hanspeter Bärtschi