Presse Bericht: Maria Riccarda Wesseling inszeniert «Carmen»…
Maria Riccarda Wesseling inszeniert «Carmen» an der Sommeroper Selzach – zwei starke Frauen, die eigenständig ihren Weg gehen
Maria Riccarda Wesseling führt als erste Frau Regie an der Sommeroper Selzach. Die Grundlagen für ihre internationale Gesangskarriere holte sie sich in Solothurn.
Dunkle Locken und ein leidenschaftliches Temperament, gesegnet mit einer geschmeidigen Stimme und einem überschäumenden Lachen, welches das Gegenüber sofort für sie einnimmt: Maria Riccarda Wesseling, Sängerin und Regisseurin. Ein Multitalent mit Bündner Dialekt, die als erste Frau an der Sommeroper Selzach Regie führt und Bizets «Carmen» inszeniert.
Die Mezzosopranistin kennt den Charakter der Titelheldin, sang «Carmen» unter anderem in Bern und Bilbao. Maria Riccarda und Carmen – zwei starke Frauen, die eigenständig ihren Weg gehen. Qualitäten, die Maria Riccarda Wesseling als Sängerin auszeichnen, prägen auch ihre Inszenierungen: die vitale Energie, mit der sie sich in die Figur(en) versetzt und ihre natürliche Musikalität.
«Carmen ist eine Frau, die ihre Liebe und Sexualität selbstbestimmt lebt, damit gegen die Konventionen verstösst. Ein Todesurteil. Wo Strukturen traditionell verharren, wird es für Frauen eng», sinniert sie.
Die Grundlagen für die Gesangskarriere holte sie sich in Solothurn bei Hedwig Vonlanthen und in Bern bei Elisabeth Glauser, studierte danach an der Musikakademie Amsterdam. In den Niederlanden unterrichtete sie als Direktorin der «Dutch National Opera Academy» von 2015 bis 2018 selber den Sängernachwuchs, studierte mit ihnen Opern ein.
Der internationale Durchbruch in Paris
In der «Carmen»-Produktion in Selzach singen zwei ehemalige Studenten mit: «In der Titelpartie ist Deborah Saffery zu hören; als Zuniga Jasper Leever», bemerkt Maria Riccarda Wesseling stolz. Den Don José und Escamillo verkörpern mit James Kryshak und Marcel Brunner zwei Sängerfreunde.
Ihr internationaler Durchbruch gelang ihr 2006 an der Opéra National de Paris, als Fachkollegin Susan Graham die Premiere von «Iphigénie en Tauride» nur ein paar Stunden vor Beginn absagte. Als Coverbesetzung musste Maria Riccarda Wesseling ohne Orchesterprobe die Hauptrolle übernehmen. «Ich hatte mit Regisseur Krszysztof Warlikowski intensiv gearbeitet und eine inspirierende Probezeit erlebt. Ja, ich fühlte mich wie im Himmel», schwärmt sie von der tollen Zusammenarbeit, die sich auch auf den Dirigenten Marc Minkowski erstreckte.
Das deutsche Magazin «Der Spiegel» schrieb nach der Premiere: «Ein Pech, dass selten so schön gesungen wird wie in dieser ‹Iphigénie›. Maria Riccarda Wesseling, die kurzfristig eingesprungen war, sang die Titelpartie mit Kraft und Ausstrahlung. Eine sensationelle Leistung.»
Selten sei der Applaus so stürmisch ausgefallen wie an jenem schicksalsträchtigen Abend. Danach seien alle Mitwirkenden zum Apéro und dem nachfolgenden Nachtessen eingeladen worden.
Doch Maria Riccarda Wesseling verpasste den Apéro, machte sich alleine auf zum Dinner. «Da kamen mir im leeren Opernhaus eine Frau und ein Mann entgegen, ich erkannte Isabelle Huppert und Patrice Chéreau. Beide waren begeistert und lobten mich sehr. Ich kam mir vor wie im Film, zumal ich noch auf einer Adrenalinwolke schwebte.»
Der überwältigende Erfolg der «Iphigenie» wiederholte sich 2011 im Teatro Real in Madrid, diesmal mit Plácido Domingo als «Oreste». Mit dem Pariser Folgeprojekt, Glucks «Orpheus» unter Leitung von Thomas Hengelbrock und in der Inszenierung von Pina Bausch, wurde die Schweizerin nach New York eingeladen.
Der Hang zur Regie steckte schon im jungen Mädchen
Maria Riccarda Wesseling, die Frau, die immer für Neues und Aufregendes zu haben ist, zog in die Heimat ihres Mannes, koordinierte von den Niederlanden aus ihre Engagements, begeisterte mit Zeitgenössischem (Titelpartie in der Uraufführung von » an der Staatsoper Berlin) sowie mit Partien wie Fricka im «Rheingold» bei der Ruhrtriennale. Heute ist sie mit ihrer Familie längst ins heimatliche Domleschg zurückgekehrt und Tochter Maura studiert Gesang.
Maria Riccarda Wesseling wollte schon in jungen Jahren ihre Werkintentionen nicht nur gesanglich, sondern auch inszenatorisch rüberbringen. Der Hang zur Regie steckte bereits im jungen Mädchen, als erfolgreiche Sängerin startete die Macherin das Regiedebüt in Amsterdam. Mittlerweile wird sie sowohl als Regisseurin wie auch als Mezzosopranistin gefeiert und eingeladen.
Letztes Jahr brachte sie in den Theatern Biel und Solothurn mit Bravour Strawinskys «The Rake’s Progress» auf die Bühne. Und nun also «Carmen» im Passionsspielhaus, eine Frau, die ebenso intensiv lebt, liebt und rundum bezaubert wie Maria Riccarda Wesseling.
Am 2. August, 19 Uhr, feiert die Bizet-Oper «Carmen» Premiere im Passionsspielhaus Selzach und wird bis 17. August gespielt.
© Grenchner Tagblatt, 21.07.2024 von Silvia Rietz.